Geschichten - Episode 1 Unerwartet

Geschichten - Episode 1 - Unerwartet

Diese Geschichte startet, als ich an einem Morgen auf Island durch den Wecker auf meinem Handy geweckt werde. Es ist Februar, der Sonnenaufgang daher zu einer sehr angenehmen und Foto freundlichen Uhrzeit. Ich versuche mich schnell und trotzdem leise fertig zu machen. Meine Frau schläft weiter. Sie ist für alles Mögliche zu haben, im dunklen in der Wüste wandern um die Milchstraße zu sehen, in der Kälte ausharren wenn ich noch Bilder mache, usw. - nur morgens aufstehen...das wird nix. Ich starte jedoch nicht ohne einen Kaffee gehabt zu haben. Mit meinem Filterkaffee, dem Wasserkocher und meiner Tasse verziehe ich mich im Bad. Nachdem ich meinen Kaffee hatte bin ich nun bereit mich auf den Weg zu machen. Ich schnappe mir meinen Rucksack, mein Stativ, meine Jacke...hab ich an alles gedacht? Mütze, Autoschlüssel, ja - hab alles. Ich ziehe die Hotelzimmertür hinter mir zu und mache mich auf den Weg zum Auto.

Es ist kalt draußen. Das Auto ist gefroren. Der blaue Dacia Duster ist gut zwischen den anderen Dustern zu sehen. Der Großteil der Duster ist weiß. Überhaupt scheint es so zu sein, dass ein sehr großer Teil der Dacia Duster Produktion als Leihwagen auf Island zugelassen werden. Ich lade meine Sachen ins Fahrzeug, starte den Motor, schnappe mir den Eis Kratzer und fange an, die Scheiben vom Eis zu befreien. Als ich fertig bin sind meine Finger knallrot von der Kälte. Ich fahre los und mache mich auf den Weg zur Gletscher Lagune Jökulsárlón. Die Fahrt dauert ca. 20 Minuten. Die Dämmerung hat bereits begonnen auch wenn die Zeit des Sonnenaufgangs noch nicht gekommen ist. Ich habe keinen bestimmten Plan für diesen Morgen. Ich fahre einfach mal zur Gletscher Lagune und sehe mal was so passiert. Es ist für isländische Verhältnisse relativ klar auch wenn es vollständig bedeckt ist. Auf dem Weg zum Jökulsárlón kann man permanent die riesigen Gletscherzungen des mächtigen Vatnajökull sehen. Schließlich biege ich rechts auf den Parkplatz ab und suche mir eine Parkbucht. Keine leichte Entscheidung, der Parkplatz ist komplett leer. Das Fahrzeug kommt zum Stillstand, ich mache den Motor aus. Vom Vortag weiß ich bereits, dass sowohl am Ufer vom Meer als auch am Ufer der Lagune kein Eis liegt. Die Lagune ist bereits seit Wochen gefroren und hält das Eis fest. 

Ich beobachte erst einmal die Situation aus dem warmen Auto. Das Licht und der Himmel machen im Moment nichts spannendes. Nach einigen Minuten beginnt der Himmel in Richtung offenem Meer, ein wenig aufzubrechen. Ich entscheide, dass es Zeit ist, das Auto zu verlassen. Ich steige aus und gehe an die hintere Tür. Direkt trifft mich der kalte Wind. Der erste Moment beim Verlassen des warmen Autos ist immer besonders schlimm. Schnell ziehe ich mir das komplette Winter Paket an; Schal, Mütze, Handschuhe, Jacke. Ich schnappe mir den Rucksack und das Stativ und laufe in Richtung Strand. Es ist nicht besonders windig, wohl eher normal für die Südküste Islands. Bei uns Zuhause, würden es die meisten wohl schon als stürmisch bezeichnen. Die Wellen des ungebremsten Atlantiks schlagen mit einer gewaltigen Wucht an den Strand. Die Geräuschkulisse ist der Wahnsinn. Unaufhaltsam drückt das Meer gegen den Strand. Gleichzeitig spült der der Gletscher, ununterbrochen Wasser durch die enge Öffnung, unter der Brücke hindurch, in den Atlantik. Im Grenzgebiet der Strömungen bilden sich immer wieder verändernde Strudel. Eine Weile schaue ich mir das Spektakel an, als schließlich sehe, dass der Himmel über dem Meer immer weiter aufreißt. In den Lücken am Himmel sind viele kleine rosa-rötlich schimmernde Wolken zu sehen. 

Ich freue mich über den Anblick…nach einigen Sekunden wird mir klar; das sind keine normalen Wolken. Es sind polare Stratosphären Wolken!

Diese Art von Wolken ist ein extrem seltenes Naturschauspiel und deutlich seltener als Polarlichter zu beobachten. Für mich sind es die ersten polaren Stratosphärenwolken

Foto von bunt leuchtenden polaren Stratosphärenwolke mit dunklen Wolke davor

Polare Stratosphärenwolken, oder auch Perlmuttwolken, treten wie der Name vermuten lässt in der Stratosphäre in Höhen von 22 bis 29 km auf. Diese Wolken können nur bei Temperaturen unter -78 °C entstehen und sind daher nur in den Polarregionen zu sehen. In diesen Höhen ist der Anteil an Wasserdampf zu gering um herkömmliche Wolken entstehen zu lassen. Polare Stratosphärenwolken bestehen aus Kristallen von Schwefel- oder Salpetersäure. In seltenen Fällen kann sich um diese Stoffe noch ein Eismantel bilden. Den Bildernaus dem Internet nach, scheint das in diesem Fall so gewesen zu sein.

Ich packe meine Kamera aus und versuche mich an einer Weitwinkel Aufnahme. Den einzigen Eisblock am Strand im Vordergrund und die Stratosphärenwolken im Hintergrund. Schnell verwerfe ich diese Idee wieder. Den Eisblock hatte ich vorher schon inspiziert und als nicht fotogen eingeordnet. Er liegt hier wohl schon sehr lange und ist fast vollständig von schwarzem Sand überzogen. Die Hälfte bereits eingegraben. Ich setze das lange Objektiv an die Kamera und beginne einige Aufnahmen zu machen. Die Stratosphärenwolken verändern sich permanent und scheinen doch auf der Stelle fest zu stehen. Davor ziehen dunkle, sehr flache Wolken durch die Szene. Der Anblick und die Szenerie ändern sich sehr schnell. Eine Zeit lang genieße ich einfach den Anblick. Keine Ahnung wieviel Zeit vergeht, Sekunden, Minuten oder eine halbe Stunde?

Plötzlich steht jemand neben mir und fängt wie aus dem nichts an zu erzählen. Ich finde es immer amüsant wie andere Menschen oft die Nähe anderer Menschen suchen. Egal wir verlassen ein Ort ist, Menschen scheinen immer die Nähe anderer zu suchen. Das scheint besonders auf Fotografen zuzutreffen. Jeder kennt sicher das Phänomen; man fotografiert irgendetwas, völlig egal was und völlig egal welches Gerät man zur Aufnahme benutzt. Wie aus dem nichts sind plötzlich andere vor Ort die sich für das Gleiche interessieren und davpn Bilder machen. 

Wie sich rausstellt ist der junge Mann aus Litauen und arbeitet als Guide hier auf Island; Gletscher Höhlen Touren. Er ist anscheinend auch ziemlich begeistert über den seltenen Anblick am Himmel. Er fragt mich ob ich ihn kurz mit seinem Handy filmen könnte. Er läuft einmal zum Ufer und zurück, sicher ein Reel was heute irgendwo in den Massen der Meta Server untergegangen ist. Er verabschiedet sich und geht zu den Bussen des Touren Betreibers. Der Parkplatz ist mittlerweile etwas gefüllt. Es scheinen Tagestour Busse, die von Reykjavík aus starten, zu sein. Sie müssen bereits mitten in der Nacht gestartet sein, um zum Sonnenaufgang hier zu sein. Einige tummeln sich um den einzigen Eisberg der am Strand liegt. 

Die Wolken haben sich nun vollständig aufgelöst und das Spektakel am Himmel ist vorbei. Ich klappe mein Stativ zusammen und beschließe die Kamera erst im Auto, in den Rucksack zu verstauen. 

Auf halber Strecke zum Auto bleibe ich nochmal stehen und drehe mich um. Da bemerke ich wie die Steine am Strand zusammen mit dem Sand ganz besondere Strukturen geschaffen haben. Die starken Winde an der Küste haben im Windschatten der Steine, kleine Dünen entstehen lassen. Die chaotisch liegenden Steine sehen auf einmal aus, als seien sie an ganz bestimmten Stellen abgelegt worden - ganz gleichmäßig. Zusätzlich wird die Szene durch ganz flaches und noch sanftes Licht beleuchtet. Ich versuche einen besonders Sehenswerten Ausschnitt zu finden. Im Nachhinein war der erste Versuch hierbei der beste - wie so oft.

Im Auto verstaue ich alles zurück in den Rucksack. Das gesamte Winterpaket habe ich wieder ausgezogen. Bevor ich den Motor wieder starte denke ich kurz über das erlebte nach,

 

„Das war unerwartet“, 

 

dachte ich mir und machte mich auf den Rückweg ins Hotel. Und es war nur der Morgen von einem erlebnisreichen Tag auf Island.


Detailaufnahme von Steinen und schwarzem Sand am Strand
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